Speiseröhrenkrebs
Speiseröhrenkrebs, medizinisch Ösophaguskarzinom genannt, kann überall in der Speiseröhre auftreten – auch am Übergang in den Magen.
Ebenso wie Bauchspeicheldrüsenkrebs ist diese bösartige Tumorerkrankung relativ selten. Allerdings nimmt die Zahl der Neuerkrankungen in den letzten Jahren deutschlandweit zu.
Abhängig davon, in welchem Gewebe der Speiseröhre der Tumor entstanden ist, lassen sich zwei Hauptformen unterscheiden: die Adenokarzinome und die Plattenepithelkarzinome. Adenokarzinome bilden sich in den Drüsenzellen der Schleimhaut und treten meist im unteren Drittel der Speiseröhre sowie am Übergang zum Magen auf (sogenannte AEG-Karzinome). Plattenepithelkarzinome haben ihren Ursprung in den Deckzellen (Epithelien), welche die oberste Schicht der Speiseröhrenschleimhaut bilden. Diese Form kann sich in der gesamten Speiseröhre, auch in deren Halsbereich, entwickeln. Adenokarzinome sind inzwischen insgesamt häufiger als Plattenepithelkarzinome.
Auch beim Speiseröhrenkrebs ist bislang nicht genau geklärt, was ihn verursacht. Es konnten allerdings eindeutige Risikofaktoren identifiziert werden. Zu den gefährlichsten gehören der langjährige Konsum von Nikotin und hochprozentigem Alkohol. Rund 75 Prozent aller
Plattenepithelkarzinome des Ösophagus lassen sich darauf zurückführen.
Bei den Adenokarzinomen der Speiseröhre ist der verstärkte Rückfluss von Magen- und Gallensäuren aus dem Magen der wichtigste Risikofaktor, bekannt als Refluxkrankheit. Der Säurerückfluss ist manchmal durch zusätzliches Übergewicht bedingt. Deshalb wurde dieses auch als eigenständiger Risikofaktor für ein Adenokarzinom des Ösophagus eingestuft.
Risikofaktor Barett-Schleimhaut
Der verstärkte und wiederholte Rückfluss von Magensäure kann zur Entwicklung eines sogenannten Barrett-Ösophagus führen. Zu erkennen ist er anhand von Umbauten in der Struktur der Speiseröhrenschleimhaut. Normalerweise ist diese aus Zellreihen aufgebaut, die schichtweise aufeinander aufliegen (Plattenepithel). Bei der Barrettmetaplasie verändert sich die Schleimhaut von Plattenepithel in Zylinderepithel – sie wird dann palisadenartig, ähnlich der Schleimhaut im Magen. Durch diesen Umbau versucht sich die Schleimhaut des Ösophagus besser vor den Angriffen der Magensäure zu schützen.
Menschen mit einer Barrett-Schleimhaut haben ein erhöhtes, wenn auch weiterhin geringes, Risiko, an einem Speiseröhrenkrebs zu erkranken, und sollten deshalb regelmäßig überwacht werden. Diese Check-ups erfolgen endoskopisch in regelmäßigen Abständen. Sollten sich hier bösartige Zellen entwickeln, können sie auf diese Weise frühzeitig entdeckt und auch gleich mit dem Endoskop entfernt werden.
Häufigstes Indiz für Speiseröhrenkrebs sind Gewichtsverlust und Schluckbeschwerden, medizinisch Dysphagie genannt. Beides wird durch die tumorbedingte Verengung der Speiseröhre ausgelöst. Weitere Symptome für ein Ösophaguskarzinom sind schmerzhafte Krämpfe der Speiseröhre und ein ungewöhnliches Würgen beim Schlucken von Speisen, die zuvor gerne und ohne Probleme genossen werden konnten. Auch häufiges Sodbrennen und Aufstoßen machen den Betroffenen aufgrund des Reflux aus dem Magen zu schaffen. Im fortgeschrittenen Stadium der Krebserkrankung kommt es dann häufig zu Heiserkeit und einem ungewollten Gewichtsverlust.
Spezialisiert: unser Ösophagus-Zentrum
Speiseröhrenkrebs ist eine komplexe Erkrankung, ebenso hochkomplex in der Behandlung, und erfordert daher eine fachübergreifende Zusammenarbeit. Im Ösophagus-Zentrum am Robert Bosch Krankenhaus arbeiten Spezialist:innen aus der Gastroenterologie, Allgemein- und Viszeralchirurgie, Onkologie und weiteren Fachabteilungen zusammen und treffen die individuelle Therapieentscheidung für jede Patientin und jeden Patienten gemeinsam.
Untersuchungen bei Verdacht auf Speiseröhrenkrebs
Die Diagnostik beinhaltet verschiedene Untersuchungsmethoden.
Diese Spiegelung von Speiseröhre und Magen ist die wichtigste und eine der aussagekräftigsten Untersuchungsmethoden zur Diagnose von Speiseröhrenkrebs. Dabei führen die Mediziner:innen der Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie durch den Mund ein mit Kamera und Lichtquelle ausgerüstetes Endoskop in die Speiseröhre und den Magen ein. Auf diese Weise lassen sich die Innenwände genau auf einem Bildschirm darstellen. Zudem können wir Biopsien durchführen. Die dabei gewonnenen Gewebeproben werden anschließend durch die Abteilung für Pathologie unter dem Mikroskop auf Tumorzellen hin geprüft. Bestätigt sich der Verdacht auf Speiseröhrenkrebs, schließen sich weitere Untersuchungen an.
Mit der Endosonografie, einer speziellen Ultraschalluntersuchung, können wir beurteilen, wie tief der Tumor bereits in die Speiseröhrenwand vorgedrungen ist und ob er umliegende Lymphknoten befallen hat. Diese Informationen benötigen wir zur besseren Planung der Operation. Zur Durchführung der Endoskopie führen wir eine feine Ultraschallsonde oder ein mit Ultraschallkopf ausgestattetes Endoskop in die Speiseröhre ein.
Vorbereitung auf die Untersuchung
Sowohl für die Endosonografie als auch für die Spiegelung von Speiseröhre und Magen müssen Sie nüchtern sein – Sie dürfen davor also nichts essen und ab zwei Stunden davor auch nichts mehr trinken. Damit Ihnen die Untersuchungen keinerlei Schmerzen bereiten, bekommen Sie ein lokales wirksames Narkosemittel in den Rachen gesprüht.
Das Blutbild liefert bei der Diagnose von Speiseröhrenkrebs wichtige Informationen: Es gibt Aufschluss über die Funktion von Nieren, Leber und Lunge, was für die Planung und Durchführung der Krebsoperation bedeutsam ist. Zusätzlich können auch Tumormarker untersucht werden.
Ein CT des Brust- und Bauchraums dient dazu, die genaue Lokalisation und Ausbreitung des Tumors festzustellen. Auch möglicherweise bereits vorhandene Metastasen können wir damit aufspüren.
Ergeben sich bei den Untersuchungen Hinweise darauf, dass der Tumor in die Bronchien oder Luftröhre eingedrungen ist, führen wir eine Bronchoskopie durch. Mit dieser endoskopischen Spiegelung von Luftröhre und Bronchien können wir diesen Verdacht abklären. Bei der Bronchoskopie wird das Endoskop über die Nase in die Luftröhre und bis zu den Bronchien geführt.
TNM-Einteilung des Tumors
Auch Speiseröhrenkrebs wird anhand der internationalen TNM-Klassifikation in Stadien eingeteilt. T steht für die Größe und Ausdehnung des Tumors, N für die Anzahl und Lokalisation befallener Lymphknoten und M für das Auftreten und die Lokalisation von Metastasen in anderen Organen. Je nach TNM-Einteilung ergibt sich, welche Therapie am besten geeignet ist.
Behandlung von Speiseröhrenkrebs
Operation und weitere Behandlungsmöglichkeiten
Welche Behandlungsmethoden zur Therapie eingesetzt werden, ist abhängig vom Stadium des Ösophaguskarzinoms, also davon wie tief der Tumor bereits in das Gewebe der Speiseröhre eingewachsen ist und ob sich die Krebszellen im Körper ausgebreitet haben. Ebenso spielen die Allgemeinverfassung und das Alter der Patientin:des Patienten eine wichtige Rolle. Die wichtigste Therapiemaßnahme ist die vollständige endoskopische oder operative Entfernung des Tumors. Zusätzlich oder alternativ werden auch andere Verfahren angewendet. Man spricht von multimodaler Therapie.
Frühe Karzinome können auf endoskopischem Weg (durch den Mund) entfernt werden. Weiter fortgeschrittene Tumore können mit Hilfe der Roboteroperation geheilt werden. Vorbereitende oder ergänzende Strahlentherapie, Chemotherapie und Immuntherapie erhöhen bei fortgeschrittenen Tumoren die Heilungschance. Für technisch nicht im Gesunden zu operierende Tumoren und für Patient:innen mit funktionellen Einschränkungen, die keine Narkose bekommen können, stehen hocheffiziente radioonkologische Behandlungsverfahren zur Verfügung.
Operation bei Speiseröhrenkrebs
Die vollständige operative Entfernung des Tumors steht im Fokus der Therapie. Diese kann im wünschenswerten Fall letztendlich zur Heilung der Krankheit führen. Wie der Eingriff durchgeführt wird, richtet sich nach Art und Stadium des Ösophaguskarzinoms. In einem frühen Stadium, wenn der Tumor auf die Oberfläche der Speiseröhrenschleimhaut begrenzt ist, lässt er sich manchmal unter Erhalt der Speiseröhre endoskopisch entfernen. Meist müssen wir die Speiseröhre jedoch komplett oder teilweise entnehmen, um das Tumorgewebe und die umgebenden Lymphknoten komplett zu beseitigen.
Unser OP-Team der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie ist sehr erfahren in dieser umfassenden und technisch anspruchsvollen Operation. In aller Regel führen wir diese minimalinvasiv mit dem OP-Roboter durch (RAMIE-Prozedur). Nur wenige Zentren in Deutschland verfügen über hinreichend Erfahrung, um Patient:innen mit Ösophaguskarzinom ein robotisches Verfahren anbieten zu können. Bundesweite Zentralisierungsinitiativen versuchen deshalb diese Operationen regional zu bündeln und Patient:innen an die geeigneten Zentren zu vermitteln. Das Robert Bosch Krankenhaus hat in den letzten Jahren konstant die Mindestoperationszahlen im Bereich Ösophaguschirurgie erfüllt.
Wenn sich der Tumor im unteren Abschnitt der Speiseröhre befindet, kann manchmal ohne Eröffnung des Brustkorbs vom Bauchraum aus operiert werden. Häufiger befindet sich der Tumor jedoch im mittleren oder oberen Drittel der Speisröhre, so dass dann eine Operation in Bauch- und Brusthöhle erforderlich ist. In jedem Falle wird die Speiseröhre gemeinsam mit den Lymphknoten entfernt, um den Tumor möglichst radikal zu bekämpfen. Die Rekonstruktion der Speiseröhre und der Magen-Darm-Passage erfolgt durch den Ersatz der entfernten Bereiche mit Dünn- oder Dickdarmverbindungen. Die individuellen Details werden für jede Krebspatientin:jeden Krebspatienten mehrmals mit der Operateurin:dem Operateur besprochen.
Durch die teilweise oder komplette Entfernung der Speiseröhre ist die Verbindung zum Magen-Darm-Trakt durchtrennt. Sie muss wieder rekonstruiert werden, denn ansonsten sind Essen und Trinken nicht möglich. Dazu machen wir den sogenannten Magenhochzug: Dabei wird der schlauchartig umgeformte Magen mit dem Rest der Speiseröhre verbunden. Ist der Magen wegen vorangegangenen Operationen zu kurz, kann auch ein Teil des Dünndarms zur Rekonstruktion der Verbindung herangezogen werden.
Vor der Operation wird häufig eine Chemo- oder eine Radiochemotherapie durchgeführt. Diese neoadjuvante Behandlung verkleinert den Tumor und vernichtet eventuell gestreute Krebszellen bereits vorab. Das verbessert die Erfolgsaussichten der Operation erheblich und steigert auch die langfristigen Überlebensraten.
Bei der Operation muss der untere Schließmuskel zwischen Magen und Speiseröhre entfernt werden. Somit kann Magensäure in die Speiseröhre zurückfließen. Um das zu verhindern, ist meist die dauerhafte Einnahme eines Säureblockers erforderlich.
Weitere Behandlungsmöglichkeiten
Wenn eine operative oder endoskopische Entfernung des Tumors nicht möglich ist, empfiehlt sich eine Radiochemotherapie. Diese kombinierte Strahlen-Chemotherapie dient dazu, möglichst viele Tumorzellen zu zerstören oder deren erneutes Wachstum zu verhindern. Sie kann auch anstatt einer Operation erfolgen, wenn diese technisch nicht durchführbar ist, oder wenn sie für die Patientin:den Patienten zu belastend wäre.
Spezieller Wirkstoff gegen HER-2
Bei Adenokarzinomen kann sich der sogenannte HER-2-Rezeptor an der Oberfläche der Tumorzellen verstärkt ausbilden. Bei Patienten mit solchen HER-2-positiven Ösophaguskarzinomen kann der HER-2-Rezeptor-Hemmer Trastuzumab die Wirkung einer Chemotherapie erhöhen und damit die Prognose verbessern.
Eine unterstützende Immuntherapie kann die Prognose bei Betroffenen mit fortgeschrittenem Speiseröhrenkrebs verbessern. Das zeigt die internationale klinische Studie CheckMate 577.
Standardmäßig wird Speiseröhrenkrebs mit kombinierter Chemo-Strahlentherapie und einer sich daran anschließenden Operation behandelt. Das entfernte Gewebe wird untersucht. Enthält es noch vitale Tumorzellen, dann konnte im Rahmen der Studie eine postoperative Immuntherapie ergänzt werden. Es zeigte sich, dass hierdurch Rückfälle vermieden und sich die Überlebenschancen der Betroffenen verbessert haben. Der Ansatz: Der monoklonale Anti-PD-1-Antikörper Nivolumab, ein Immuncheckpoint-Inhibitor, unterstützt das Immunsystem dabei, weiter vorhandene, jedoch nicht sichtbare Krebszellen abzuwehren. Dadurch lässt sich verhindern, dass sich Metastasen im Körper bilden. Der Antikörper ist unter anderem in der EU für die unterstützende Behandlung des Ösophaguskarzinom zugelassen.
Auch in der metastasierten Situation wird das Ösophaguskarzinom mittlerweile bei den meisten Patient:innen zusätzlich zur Chemotherapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren behandelt, wodurch sich die Prognose bessert. Im Robert-Bosch-Krankenhaus bieten wir unseren Patienten die Möglichkeit zur Gabe dieser Wirkstoffe, sollte dies in Ihrem individuellen Fall erfolgsversprechend sein.
Individuelle Therapie bei Speiseröhrenkrebs durch interdisziplinäres Tumorboard
Für eine hochwertige Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Leberkrebs und Lebermetastasen ist die Bündelung der Fachexpertise der beteiligten Fachabteilungen Gastroenterologie, Allgemein- und Viszeralchirurgie, Onkologie, Strahlentherapie, Pathologie, Labormedizin und Palliativmedizin gefragt. Um die jeweils bestmögliche Therapie für jede Patientin und jeden Patienten individuell festzulegen, beraten wir uns wöchentlich interdisziplinär im Tumorboard.
Die komplexe Behandlung von an Speiseröhrenkrebs Erkrankten erfordert eine fachübergreifende Zusammenarbeit. Im Ösophagus-Zentrum am Robert Bosch Krankenhaus ist die Expertise von erfahrenen Spezialist:innen der Gastroenterologie, Allgemein- und Viszeralchirurgie, Onkologie, Radiologie, Strahlentherapie, Pathologie, Labormedizin und Palliativmedizin eng verzahnt. Sämtliche multimodalen Behandlungskonzepte werden in der gemeinsamen wöchentlich stattfindenden interdisziplinären Tumorkonferenz besprochen. Gemeinsam wird eine individuell angepasste Therapie für jede Patientin und jeden Patienten festgelegt.
Nachsorge
Auch beim Ösophaguskarzinom sind regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen extrem wichtig. Bei Wiederauftreten des Tumors, einem sogenannten Rezidiv, bestehen oft noch zusätzliche Möglichkeiten den Tumor zu bekämpfen oder zumindest die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Wie umfangreich sich die Nachsorgeuntersuchungen gestalten, hängt vom Tumorstadium bei der Diagnosestellung und von der durchgeführten Therapie ab.
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