Bauchfellkrebs (Peritonealkarzinose)
Bei Bauchfellkrebs, medizinisch Peritonealkarzinose genannt, handelt es sich um die Ausbreitung eines bösartigen Tumors im Bauchfell und in der freien Bauchhöhle.
Die Tumorzellen beim Bauchfellkrebs sind überwiegend Absiedlungen, sogenannte Metastasen, eines anderen Tumors im Bauchraum. Deutlich seltener geht diese Tumorerkrankung vom Bauchfell selbst aus.
Bis vor nicht allzu langer Zeit galt Bauchfellkrebs als chirurgisch nicht behandelbar und war mit einer entsprechend schlechten Prognose behaftet. Dies ändert sich gegenwärtig durch neue innovative Therapiemethoden, die in hochspezialisierten Zentren wie dem Robert Bosch Krankenhaus angewendet werden. Häufig wird ein multimodaler Therapieansatz gewählt: Vorrangig werden die Tumorherde operativ von den Expert:innen der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie entfernt, meist unter Zugabe eines erwärmtes Chemotherapeutikums in den eröffneten Bauchraum (hypertherme intraperitoneale Chemotherapie, HIPEC). Häufig wird in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin eine systemische Chemotherapie angeschlossen.
Das Peritoneum, wie das Bauchfell medizinisch heißt, besteht aus zwei Blättern. Eines der beiden, das parietale oder äußere Peritoneum, kleidet die Wand des Bauchraums von innen vergleichbar einer Tapete aus. Das andere, viszerales oder inneres Peritoneum genannt, überzieht als Schutzschild die im Bauchraum liegenden Organe.
Im gesamten Bauchraum zirkuliert die sogenannte Peritoneal-Flüssigkeit. Diese wird vom Bauchfell selbst gebildet und auch wiederaufgenommen. Das kann verhängnisvoll werden. Denn auch bösartige Tumorzellen, die ansonsten über Blut oder Lymphe wandern, nutzen die Flüssigkeit als Transportmittel. Auf diese Weise können sie sich überall im Bauchraum ungehindert ausbreiten und als Metastasen ansiedeln – eben auch auf dem Bauchfell.
Abhängig vom Umfang der Ausbreitung auf dem Bauchfell unterscheiden wir bei der Peritonealkarzinose zwei Formen. Bei der limitierten Form sind die bösartigen Tumorzellen auf begrenzte Areale beschränkt und es existieren nur vereinzelt Tumorknoten. Bei der diffusen, leider häufigeren Form, haben sich größere Tumorknoten flächendeckend über das gesamte Bauchfell verteilt und sind auf der Oberfläche benachbarter Organe zu finden.
Der Tumor kann vom Bauchfell selbst ausgehen. Diesen nur äußerst selten vorkommenden Bauchfellkrebs nennt man primäre Peritonealkarzinose. Das peritoneale Mesotheliom ist eine dieser Ausnahmeerscheinungen.
In der deutlichen Mehrheit der Fälle liegt der Ursprung von Bauchfellkrebs hingegen in der fortgeschrittenen bösartigen Tumorerkrankung eines anderen Organs im Bauchraum. Das gilt allen voran für kolorektale Karzinome, also Dick- und Mastdarmkrebs, sowie für Blinddarm- und Magenkrebs. Auch Bauchspeicheldrüsen- und Gallengangkrebs können die Auslöser einer solchen sekundären Peritonealkarzinose sein.
Zu Beginn verursacht Bauchfellkrebs in der Regel unspezifische Symptome wie Bauchschmerzen und Verstopfung – bekanntlich häufige Beschwerden, die von den Betroffenen nicht gleich mit einer schweren Erkrankung assoziiert werden. So erklärt sich, dass auch diese Krebsart so oft erst spät entdeckt wird.
Die fortschreitende Ausdehnung der Tumorzellen im Bauchfell bereitet jedoch den anderen Organen im Bauchraum zunehmend Probleme. In fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung kann die Peritonealkarzinose dann zum Beispiel durch Harnverhalt und Darmverschluss in Erscheinung treten. Bei der Ischurie lässt sich die Harnblase nicht mehr entleeren, beim Ileus verbleibt der Stuhl im Darm. Weitere Symptome sind die Bildung und Ansammlung von Flüssigkeit in der Bauchhöhle, medizinisch Aszites genannt, sowie Übelkeit, Brechreiz und Appetitlosigkeit.
Untersuchungen bei Verdacht auf Bauchfellkrebs
Nach eingehender Anamnese und körperlichen Untersuchungen führen wir – sofern noch nicht erfolgt – eine umfassende apparative Diagnostik durch. Das ist essentiell, um die Ausbreitung der Metastasen über das Bauchfell zu erkennen und danach die therapeutische Vorgehensweise festzulegen. Mit einer Computertomografie (CT) oder Kernspintomografie (MRT) des Bauchraums lassen sich Veränderungen des Bauchfells wie Knoten und Verdichtungen ab einer Größe von etwa einem Zentimeter sichtbar machen. Darüber hinaus setzen wir zur Diagnose eine Laparoskopie, eine operative Spiegelung des Bauchraumes mit Hilfe eines Endoskops ein.
Besondere Expertise bei Bauchfellkrebs
Die Therapie von Bauchfellkrebs ist seit langem ein Schwerpunkt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Wir haben deshalb als eines der ersten Krankenhäuser Deutschlands die operative Entfernung des Tumors in Kombination mit der lokalen hyperthermen Chemotherapie der Bauchhöhle, kurz HIPEC, eingeführt. Entsprechend verfügen wir und alle beteiligten Fachdisziplinen über langjährige Erfahrung. Das ist essentiell, um diese Verfahren sicher und effektiv anzubieten.
Auch wissenschaftlich beschäftigen wir uns intensiv mit der Peritonealkarzinose. So sind wir an mehreren aktuellen Forschungsprojekten beteiligt, die zum besseren Verständnis und zur optimalen Therapie dieser Tumorerkrankung beitragen.
Behandlung von Bauchfellkrebs
Zur Behandlung von Bauchfellkrebs setzen wir verschiedene Methoden, oft miteinander kombiniert ein – mithin ein multimodaler Ansatz. Die tragende Säule der kurativen Therapie ist die operative Entfernung aller sichtbaren Tumorzellen, die sogenannte zytoreduktive Chirurgie. Da kein Fall dem anderen gleicht, werden Operation und medikamentöse Therapie dabei immer auf die einzelne Patientin:den einzelnen Patienten individuell angepasst.
Ziel der Operation von Bauchfellkrebs ist eine vollständige Entfernung aller sichtbaren Tumoranteile. Ein wesentlicher Bestandteil des Eingriffs ist dabei die sogenannte Peritonektomie, bei der die erkrankten Bereiche des Bauchfells entnommen werden. Häufig sind auch die mit dem Bauchfell verbundenen Organe vom Tumor befallen – vor allem Dick- und Mastdarm, Magen und Milz sowie Gallenblase. Das macht zusätzlich die Entfernung der befallenen Anteile dieser Organe nötig. Die chirurgische Zytoreduktion kann deshalb sehr umfangreich sein.
Ziel des Eingriffs ist, keinen mit dem bloßen Auge sichtbaren Tumorrest im Bauch zu belassen, wozu häufig neben der Entfernung der betroffenen Organe auch die Entfernung des befallenen parietalen Peritoneums notwendig ist. Dennoch bleiben viele, oft nicht sichtbare Tumorzellen zurück. Deshalb führen wir noch während der Operation eine sogenannte hyperterme intraperitoneale Chemotherapie (HIPEC) durch. Die Kombination der chirurgischen Zytoreduktion mit diesem innovativen Verfahren hat sich als sehr erfolgreich erwiesen.
Hypertherme Intraperitoneale Chemotherapie (HIPEC)
Dieses spezielle Behandlungsverfahren beruht auf der Tatsache, dass nach der Entfernung von sichtbaren Tumoranteilen verbliebene freie Tumorzellen im Bauchraum mittels erhitzter Chemotherapie zerstört werden können.
Das Besondere an HIPEC ist, dass die Zytostatika nicht wie sonst üblich über die Blutgefäße im Körper verteilt, sondern direkt in den Bauchraum injiziert werden. Das bringt mehrere Vorteile zugleich mit sich. Erstens: Der restliche Körper wird weniger durch die Chemotherapie belastet und geschont. Zweitens: Es lassen sich hohe Konzentrationen an Zytostatika im Bauchraum erzielen. Drittens: Die Chemotherapeutika verteilen sich schneller sowie gleichmäßiger im eventuell mikroskopisch verbliebenen Tumorgewebe und hemmen zudem die Freisetzung von Wachstumshormonen, welche die Ausbreitung der Tumorzellen fördern.
Ein weiterer Clou besteht darin, dass die Trägerlösung, in der sich die Zytostatika befindet, erwärmt wird. Die Temperaturen bewegen sich dabei je nachdem, welche Chemotherapeutika eingesetzt werden, zwischen 41 und 43 Grad Celsius. Diese hyperthermen Bedingungen – daher der Name des Verfahrens – verstärken zum einen die Wirksamkeit der Medikamente. Zum anderen setzen sie den Tumorzellen ganz erheblich zu. Denn diese besitzen eine schlechte Wärmeregulationsfähigkeit und reagieren deshalb sehr empfindlich auf Hitze: durch die lokale Erwärmung schwillt das Tumorgewebe an, weshalb es schlechter durchblutet und mit Sauerstoff versorgt wird. Diese sogenannte Tumorhypoxie macht die bösartigen Zellen noch anfälliger für die Wirkung der Chemotherapeutika. Darüber hinaus und ebenfalls schädlich für die Tumorzellen entwickelt sich in ihrem Inneren ein saures Milieu, Azidose genannt. In Summe führen diese Prozesse schließlich wie gewünscht zum Absterben der Tumorzellen, zur Tumornekrose.
Die HIPEC eignet sich allerdings nicht für alle Patient:innen mit Bauchfellkrebs. Bestehen beispielsweise bereits Metastasen außerhalb des Bauchraums, ist sie nicht erfolgversprechend. Auch bei Patient:innen mit einem sehr schlechten Allgemeinzustand kann sie nicht eingesetzt werden. Auch ein ausgeprägter Dünndarmbefall kann limitierend auf die kurative Anwendung der HIPEC sein.
Pressurized Intra Peritoneal Aerosol Chemotherapy (PIPAC)
Auch diesen noch relativ neuen Behandlungsansatz setzen wir in der Allgemein- und Viszeralchirurgie des Robert Bosch Krankenhauses ein. Sein Name steht kurz für Pressurized Intra Peritoneal Aerosol Chemotherapy, zu Deutsch intraperitoneale Hochdruck-Aerosol-Chemotherapie. Bei dieser Kombination aus Operation und lokaler Chemotherapie werden die Zytostatika nicht flüssig in den Bauchraum appliziert, sondern in einer laparoskopischen (minimalinvasiven) Operation unter Druck vernebelt. Das Ganze erfolgt mit Hilfe einer Injektionspumpe, welche die Medikamente direkt in der Bauchhöhle zerstäubt. Der dabei entstehende Nebel wird anschließend durch das in der laparoskopischen Chirurgie angewendete Capnoperitoneum in das von den Tumorzellen befallene Gewebe gepresst.
Die PIPAC kann in manchen Fällen helfen, die Tumorlast so zu reduzieren, dass eine HIPEC erst durchführbar wird. In anderen Fällen kann bei inoperablem Bauchfellkrebs eine nebenwirkungsarme und damit schonende lindernde Behandlung der durch den Bauchfellkrebs verursachenden Beschwerden erreicht werden.