Knorpelchirurgie und rekonstruktive Gelenkchirurgie
Bei zahlreichen Gelenkerkrankungen spielen Knorpeldefekte eine zentrale ursächliche Rolle. Die Therapie von Knorpelschäden und Maßnahmen zur Rekonstruktion von Knorpelgewebe haben deshalb einen hohen Stellenwert in der modernen Orthopädie am Robert Bosch Krankenhaus. Die Spezialist:innen der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie greifen dabei auf innovative gelenkerhaltende Operationsverfahren zurück, um geschädigte oder zerstörte Knorpel wiederherzustellen.
Aufbau von Knorpel
Jeder Knorpel besteht aus Knorpelzellen, medizinisch Chondrozyten genannt, und extrazellulärer Knorpelmatrix. Bei dieser Matrix handelt es sich um ein komplex verzweigtes Netz aus elastischen Kollagenfasern.
Die Knorpelzellen sorgen für die Neubildung und Regeneration von Kollagen und Knorpelmasse. Die Kollagenfasern bilden das Gerüst des Knorpels und geben ihm Halt und Stabilität. Jede einzelne dieser Fasern ist von sogenannten Proteoglykanen umgeben: Verbindungen aus Eiweiß und Zucker, welche die Kollagenfasern zusammenhalten. Indem die Proteoglykane Wasser binden können, machen sie den Knorpel so überaus elastisch. Je höher der in ihm gespeicherte Wassergehalt, desto größer sind Spannkraft und Belastbarkeit des Knorpels.
Knorpel erfüllen sehr wichtige Aufgaben:
- Mit ihrer glatten und widerstandsfähigen Oberfläche verhelfen sie den Gelenken zu reibungsloser Beweglichkeit.
- Ihre hohe Elastizität macht Knorpel zu effektiven Stoßdämpfern, die Erschütterungen und Stöße zuverlässig abfedern.
- Indem sie Belastungen gleichmäßig auf die Gelenkflächen verteilen, schützen sie die darunterliegende Knochensubstanz vor Abrieb.
- Leider bleiben die Knorpel nicht lebenslang so leistungsfähig. Mit fortschreitendem Alter werden die Zucker-Eiweiß-Verbindungen weniger. Darüber hinaus nimmt deren Fähigkeit ab, Wasser zu speichern. Dadurch lassen Elastizität und Spannkraft der Knorpel Jahr für Jahr nach.
Behandlung von Knorpelschäden
Zur Behandlung von Knorpelschäden stehen uns in der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie verschiedene Optionen zur Verfügung. Gemeinsam mit Ihnen besprechen wir, welche Methode für Ihre Erkrankung am besten geeignet ist.
Ist der Knorpeldefekt noch nicht zu weit fortgeschritten – sind also die tieferen Knorpelschichten noch intakt und belastungsfähig – kann eine Knorpelglättung vorgenommen werden. Bei diesem auch Shaving genannten Verfahren werden freie und sich ablösende Knorpelanteile operativ von der Oberfläche des Knorpels entfernt. Durch diese Glättung, daher auch der Name dieser Methode, lassen sich entzündliche Prozesse vermindern und oftmals sogar stoppen. Auf diese Weise kann die durch den Knorpelschaden hervorgerufene Symptomatik gelindert werden. Eine tatsächliche Rekonstruktion des defekten Knorpelgewebes lässt sich damit jedoch nicht erzielen.
Ablauf der Behandlung
Die Knorpelglättung wird in der Regel im Zuge einer Gelenkspiegelung durchgeführt. Dabei wird zunächst Spülflüssigkeit in den Gelenkraum eingebracht, um eine bessere Sicht auf die Strukturen zu erhalten. Nach der Begutachtung der geschädigten Knorpeloberfläche auf oberflächliche und tiefe Schäden entfernen wir die losen Knorpelfragmente. Die dazu eingesetzten Instrumente kann man sich in etwa wie einen Rasierapparat vorstellen, der die raue Oberfläche des Knorpels abrasiert und damit glättet.
Beschränkt sich der Knorpelschaden auf einen umschriebenen kleinen Bereich von einem bis 1,5 Zentimeter Durchmesser und ist der Umgebungsknorpel intakt, bietet sich eine Mikrofrakturierung zur operativen Behandlung an.
Ablauf der Behandlung
Auch dieses Verfahren zur Knorpeltherapie führen wir minimalinvasiv in arthroskopischer Technik durch. Zuerst wird der defekte Bereich durch ein Debridement, also eine Säuberung, vorbereitet. Dann wird der unterhalb des beschädigten Knorpels liegende Knochen, medizinisch subchondraler Knochen genannt, mit Hilfe von speziellen Ahlen – im Grunde so etwas wie Bohrer – eröffnet. Die Oberfläche des subchondralen Knochens wird angebohrt, was dazu führt, dass aus dem Knochengewebe Blut austritt. Dieses gerinnt in dem geschädigten Knorpelareal und bildet einen Blutpfropf. Dieser „blutclot” enthält körpereigene Stammzellen aus dem Knochenmark, die in den Knorpeldefekt einwandern und hier einen faserigen Ersatzknorpel bilden. Dieser Faserknorpel ist allerdings weniger belastbar als der ursprüngliche körpereigene hyaline Gelenkknorpel.
Sorgsame Nachbehandlung
Für den Erfolg der Mikrofrakturierung ist eine sorgsame Nachbehandlung von entscheidender Bedeutung. Denn zunächst muss sich im Defektbereich ein stabiler Blutpfropf bilden. Unsere Patient:innen müssen daher 48 Stunden Bettruhe einhalten. Danach erfolgen erste vorsichtige physiotherapeutische Maßnahmen mittels einer Motorbewegungsschiene. Für den schrittweisen Aufbau der Belastung empfehlen wir unseren Patient:innen die Physiotherapie ambulant weiterzuführen.
Bei der osteochondralen Transplantation werden kreisrunde Knorpelknochenzylinder aus einer wenig belasteten Region eines Gelenkes, häufig aus dem Beckenkamm, entnommen und in den geschädigten Knorpelbereich verpflanzt. Die Knorpelknochenzylinder haben einen Durchmesser von sechs bis zehn Millimeter und bestehen, wie ihr Name bereits sagt, aus gesundem Knorpel und Knochen.
Von dieser Therapiemethode profitieren besonders Patient:innen, die durch einen Unfall oder eine Durchblutungsstörung des Knochens einen umgrenzten Knochenknorpelschaden oder eine Hohlraumbildung unter dem Knorpel haben.
Werden mehrere der Knorpelknochenzylinder nebeneinandergesetzt, wirkt dies auf den Betrachter wie ein Mosaik aus kreisrunden Knorpeldeckeln. Man nennt diese Art der Knorpeltherapie deshalb auch Mosaikplastik.
Ablauf der Behandlung
Den transplantierten Knorpelknochenzylinder pflanzen unsere erfahrenen Operateur:innen über das sogenannte "press-fit-Verfahren" passgenau in den festen Knochen unter dem defekten Knorpelareal ein. Eine zusätzliche Fixierung, beispielsweise mit Schrauben, ist nicht erforderlich.
Wie viele der Zylinder wir benötigen, ist abhängig vom Ausmaß und der Lokalisation des Knorpelschadens.
Hierbei handelt es sich um eine innovative Form der Knorpeltherapie, bei der Knorpeldefekte mit Hilfe von in Speziallaboren gezüchteten, körpereigenen Knorpelzellen regeneriert werden. Die MACT empfiehlt sich besonders bei Schäden, die mehr als fünfzig Prozent der Knorpeltiefe betreffen oder die bis in den subchondralen Knochen, der Knochen, der unter dem Knorpel befindet, hineinreichen. Diese Behandlung darf nur in dafür spezialisierten Kliniken durchgeführt werden, das Robert Bosch Krankenhaus ist für die Behandlung zugelassen.
Ablauf der Behandlung
Im ersten Schritt wird aus dem geschädigten Gelenk im Zuge einer Gelenksspiegelung eine kleine Menge an gesundem Knorpelgewebe entnommen. In einem Speziallabor werden die Knorpelzellen dann aus der Knorpelsubstanz herausgelöst und vermehrt. Ist nach drei bis vier Wochen die notwendige Anzahl an Chondrozyten erreicht, werden diese mit modernsten Analyseverfahren auf ihre Vitalität und Sterilität kontrolliert. Anschließend fixiert man die gezüchteten Zellen in einem Trägermaterial, das weitgehend der natürlichen Umgebung im Knorpel entspricht. Dieses Knorpelzelltransplantat wird dann in einem zweiten Eingriff in den defekten Knorpel transplantiert.
Ist eine Fehlstellung der Beinachse für die Knorpelschäden ursächlich, ist zusätzlich zur knorpelchirurgischen Behandlung ein Knocheneingriff erforderlich. Diese sogenannte Umstellungsosteotomie korrigiert die Gelenkfehlstellung.