Molekulare Onkologie:
Krebs, eine Krankheit der Gene
Das medizinische Verständnis der Entstehung, des Wachstums und der Ausbreitung von Krebs hat sich stark ausgeweitet.
Wir können heute viele Tumoren auf molekularer Ebene genau charakterisieren und haben damit im Einzelfall viel exaktere Information über den Schweregrad und den voraussichtlichen Verlauf einer Krebserkrankung als noch vor wenigen Jahren.
Die Molekulare Onkologie ist ein wichtiger Baustein, der uns in Zukunft helfen wird, Krebs besser und effektiver zu behandeln. So ist es uns am Robert Bosch Krankenhaus möglich, auf der Basis molekularer und genetischer Untersuchungen des Tumorgewebes personalisierte, zielgerichtete Behandlungsstrategien zu entwickeln, die für immer mehr krebskranke Menschen die Wirksamkeit und auch die Verträglichkeit der Krebstherapie verbessern.
Mit unseren Anstrengungen in den Bereichen Behandlung und Forschung am Bosch Health Campus tragen wir aktiv für die Zukunft der modernen Krebstherapie bei.
Welche Möglichkeiten eröffnet uns die Molekulare Onkologie?
Die neuen Erkenntnisse haben Eingang in die Arzneimittelentwicklung gefunden: Medikamente wirken nun spezifischer, hierdurch können wir einer immer größeren Anzahl von Krebspatient:innen eine maßgeschneiderte Therapie anbieten und die Behandlungsergebnisse verbessern. Ein Beispiel dafür sind Tyrosinkinase-Inhibitoren. Diese Medikamentenklasse ist in Tablettenform verfügbar und wirkt sehr zielgenau dort, wo eine mutierte Zielstruktur vorhanden ist, also in den Krebszellen.
Solche mutierten Zielstrukturen aufzufinden ist die Aufgabe der Molekularpathologie, ein Teilgebiet der Abteilung für Pathologie am Robert Bosch Krankenhaus. Dort werden umfassende Untersuchungen zur sogenannten Tumorhistologie und Tumorgenetik durchgeführt, sodass eine präzise Diagnosestellung und die entsprechende zielgerichtete Therapiewahl individualisiert erfolgen können.
Dieses Vorgehen zeigt Erfolge: Gut ein Drittel der Patientinnen und Patienten mit der Erstdiagnose metastasierter Lungenkrebs behandeln wir im RBK Lungenzentrum Stuttgart heute ohne Chemotherapie. Denn moderne molekularpathologische Diagnostik ermöglicht es uns, bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt festzustellen, welche Lungenkrebspatient:innen für eine Behandlung ohne Chemotherapie geeignet sind und welche nicht.
In enger Zusammenarbeit mit den ärztlichen Kolleg:innen der Chirurgie, Radioonkologie und Radiologie sind auch lokale Therapieverfahren ergänzend möglich.
Ebenso geben uns die Eigenschaften des Tumors mit ungekannt hoher Genauigkeit Aufschluss über die Erfolgswahrscheinlichkeit anderer Krebstherapien, vor allem der Immuntherapie – also darüber wie gut das Medikament wirkt und mit welcher Wahrscheinlichkeit der Krebs verschwindet. Mit Hilfe der sogenannten Biomarkerforschung können wir die Behandlung passgenau an unsere Patient:innen anpassen. So werden für eine zunehmende Zahl von Krebspatient:innen unwirksame Therapien und die damit verbundenen Nebenwirkungen vermieden.
Molekulares Tumorboard
Ist die leitliniengerechte Behandlung nicht mehr erfolgsversprechend oder ausgeschöpft, sind Sie an einer seltenen Tumorerkrankung erkrankt oder liegt eine erblich bedingte Krebserkrankung nahe, kann Sie Ihre behandelnde Ärztin:Ihr behandelnder Arzt in unserem wöchentlich stattfindenden Molekularen Tumorboard vorstellen. In dieser fachübergreifenden Tumorkonferenz diskutieren wir individuell für jede Patientin:jeden Patienten die Möglichkeiten spezialisierter molekularpathologischer Untersuchungen und zeigen zusätzliche zielgerichtete Therapieoptionen auf.
Unsere Forschung kommt direkt den Patient:innen zugute
Die Molekulare Onkologie, unter dem Dach der Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin, ist die Schnittstelle, die Erkenntnisse aus der Forschung in die Therapie von Krebspatient:innen überträgt. Gleichzeitig sorgen wir aber auch dafür, dass Ergebnisse aus der Klinik zurück zu den Grundlagenforschenden gelangen. So schließt sich ein Informationskreis zum Wohl unserer Patientinnen und Patienten.
Dafür sorgen wir nicht nur vor Ort im Robert Bosch Krankenhaus und im RBK Lungenzentrum Stuttgart, wir arbeiten auch mit starken Partnern zusammen: Das Onkologische Zentrum des Robert Bosch Krankenhauses ist Teil des Robert Bosch Centrums für Tumorerkrankungen. Das Robert Bosch Centrum für Tumorerkrankungen vereint onkologische Diagnostik und Behandlung sowie Krebsforschung am Bosch Health Campus.
Mit dem Universitätsklinikum Tübingen bildet unser Onkologisches Zentrum zudem ein von der Deutschen Krebshilfe ausgezeichnetes Spitzenzentrum für Krebsmedizin, das Comprehensive Cancer Center (CCC) Tübingen-Stuttgart. Kolleg:innen des Instituts für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik der Universität Tübingen sind wöchentlich in Stuttgart und beraten gemeinsame Patient:innen. Mit den Onkologischen Spitzenzentren (CCC) sollen alle an Krebs Erkrankten eine noch bessere, personalisierte Krebsmedizin nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft erhalten.
Die Onkologischen Spitzenzentren Tübingen-Stuttgart (CCC-TS) und Ulm (CCCU) schließen wiederum ihre Behandlungsexpertise und Forschungsinfrastruktur im gemeinsamen Standort „NCT-SüdWest“ des erweiterten Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) zusammen. Anspruch ist, neue Entwicklungen aus den Forschungseinrichtungen noch schneller und unter höchsten Ansprüchen klinisch zu testen, um hierdurch Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten für Patient:innen weiter zu verbessern.
Projektbasiert arbeiten wir außerdem mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Universität Heidelberg eng zusammen.
Wir sind Mitglied im nationalen Netzwerk Genomische Medizin (nNGM) Lungenkrebs, ein bundesweites Netzwerk, über das in Deutschland alle Patient:innen mit fortgeschrittenem Lungenkrebs Zugang zu molekularer Diagnostik und innovativen Therapien erhalten.
Auch den Menschen hinter der Erkrankung verstehen
Im Sinne unseres Stifters Robert Bosch haben wir bei all unserer Arbeit einen übergeordneten Anspruch: Wir wollen nicht nur die Biologie Ihrer Krebszellen möglichst genau verstehen und Ihnen als Patientin:Patient die bestmögliche Behandlung zukommen lassen. Wir möchten dabei vor allem auch dafür sorgen, dass Sie sich als Mensch wahrgenommen und verstanden fühlen.
Die Diagnose Krebs ist sehr schwer und Sie haben sicher viele Fragen zu den verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten.
Ob und welche Art von Therapie für Sie in Frage kommt, besprechen wir sehr ausführlich mit Ihnen. Dabei ist uns wichtig, Ihre Lebenssituation mit einzubeziehen und herauszufinden, was die Erkrankung konkret bedeutet. Uns ist es wichtig abzuwägen, was sinnvoll und notwendig ist, was aber auch unsere Patient:innen und ihre Angehörigen zusätzlich belasten und Lebensqualität mindern kann.
Damit wir uns diesen Themen mit ausreichender Mühe widmen können, wurden weitere Angebote am Robert Bosch Krankenhaus geschaffen. Die Palliativmedizin spielt in der Onkologie zum Beispiel eine wichtige Rolle. Insgesamt verfügt das Robert Bosch Krankenhaus über 19 palliativmedizinische Betten. Die Palliativteams beziehen wir dabei möglichst früh in die Therapie unheilbar Kranker ein.
LINA – ein Beratungsangebot
Jungen Erwachsenen mit der Diagnose Krebs bieten wir mit dem Beratungsangebot Hilfe bei sozialrechtlichen Themen wie Krankengeld oder Haushaltshilfe sowie emotionale Unterstützung.
Integrative Onkologie
Naturheilkundliche Begleittherapien können während der Krebsbehandlung unterstützend helfen. Am Robert Bosch Krankenhaus verfolgen wir den Ansatz der Integrativen Onkologie, die konventionelle Medizin, wissenschaftlich geprüfte Naturheilkunde und Mind-Body-Medizin kombiniert.
Atemnotambulanz
Ein pflegerisch geleitetes Angebot ist unsere Atemnotambulanz. Onkologische Fachpflegekräfte und Physiotherapeut:innen kümmern sich hier um an Krebs Erkrankte mit Atemnot.
Humangenetische Beratung
Bei einigen Tumorarten reicht die klassische Gewebeanalyse durch eine mikroskopische Untersuchung und Einfärbeverfahren nicht mehr aus. In diesen Fällen wird das Genom des Tumors, also die Erbinformation, die seinem Wachstum zugrunde liegt, analysiert.
Diese spezielle Diagnostik geht weit über die zurzeit übliche Tumoranalyse hinaus. Hintergrund für diese umfassende Analyse ist, dass Therapieentscheidungen individueller und maßgeschneidert getroffen werden können.
Außerdem wird immer klarer, dass es sehr viel mehr Krebsarten gibt, bei denen eine familiäre, also vererbbare Veranlagung, eine Rolle spielt. Das Wissen um eine solche Veranlagung hilft, geeignete Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen.
Daher bietet das Robert Bosch Krankenhaus in Kooperation mit dem Institut für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik des Universitätsklinikums Tübingen eine genetische Sprechstunde an. Das Beratungsgespräch findet in den Räumlichkeiten des Robert Bosch Krankenhauses statt.
Manche Arzneimittel wirken nur dann, wenn bestimmte Veränderungen (sogenannte Treibermutationen) im Genom der Zellen vorhanden sind. Beispiele sind Wirkstoffe, die bei seltenen Lungenkrebsformen eingesetzt werden können.
Am Anfang steht ein ausführliches Gespräch, in welchem Ihnen der Ablauf, mögliche Ergebnisse und deren Aussagekraft erklärt werden. Es wird ebenfalls ein kurzer Familienstammbaum, mit dem Fokus auf Krebserkrankungen in der Familie, erstellt. Sollte sich in diesem Gespräch ein Hinweis auf eine familiäre Tumorerkrankung ergeben, empfehlen wir eventuell eine weitere Untersuchung und einen separaten Termin, um dies gesondert zu besprechen.
Die eigentliche Untersuchung ist allerdings die des vorhandenen Tumormaterials und einer Blutprobe, die Ihnen in der Sprechstunde entnommen wird. Die Proben werden anschließend im Labor untersucht.
Die Untersuchung der Tumor- und Blutprobe dauert zwischen vier und sechs Wochen. Der Ergebnisbericht wird Ihrer betreuenden Onkologin:Ihrem betreuenden Onkologen zur Verfügung gestellt, der dann die weiteren Schritte mit Ihnen bespricht.
Das Tumormaterial wird in der Abteilung für Pathologie am Robert Bosch Krankenhaus untersucht. Dort stehen spezielle Analysewerkzeuge zur Verfügung.
Die Kosten für die Untersuchung des Erbguts des Tumors wird von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Für privat Versicherte wird ein Kostenübernahmeantrag an die Krankenkasse gestellt.