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Blutungsneigungen und Blutgerinnungsstörungen

Bei Blutungsneigungen, medizinisch hämorrhagische Diathesen genannt, besteht eine übermäßig hohe Blutungsbereitschaft. Bei Blutgerinnungsstörungen fehlen den Betroffenen einer oder mehrere der sogenannten Gerinnungsfaktoren.

Betroffene Menschen bluten schon nach geringer Verletzung häufiger und länger als gewohnt, oder es kommt völlig spontan ohne erkennbaren Anlass zu Blutungen unter der Haut, in Gelenken und inneren Organen. Darüber hinaus besteht nach Operationen, Verletzungen oder Zahneingriffen sowie Entbindungen ein erhöhtes Risiko für Nachblutungen.

In unserer Spezialsprechstunde für Menschen mit Hämoglobinopathien und angeborenen Gerinnungsstörungen in der Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin am Robert Bosch Krankenhaus betreuen wir unsere Patientinnen und Patienten individuell, mit hoher Fachkompetenz und langjähriger Erfahrung.

 

Zwei Typen von Blutungen

Je nach Lokalisation und Form unterscheiden wir in der Hämatologie zwei verschiedene Blutungstypen.

Beim petechialen Blutungstypentstehen spontan oder durch geringfügige Ursachen – etwa, wenn man sich leicht angestoßen hat – kleinfleckige Blutungen, sogenannte Purpura. Sie treten aus den feinsten Blutgefäßen unseres Körpers, den Kapillaren, in Haut und Schleimhäute aus. Der petechiale Blutungstyp ist charakteristisch für einen thrombozytären Defekt sowie eine Entzündung der kleinen Blutgefäße, Vaskulitis genannt.

Der hämophile Blutungstyp ist durch großflächige, relativ scharf begrenzte, spontane Einblutungen charakterisiert. Diese sogenannten Suffusionen können Haut und Unterhaut, wie auch Gelenke und Muskeln betreffen. Weiterhin kann es beim hämophilen Blutungstyp bereits nach banalen Verletzungen zu großflächigen Blutergüssen kommen. Dieser Blutungstyp ist typisch für plasmatische Defekte.

Sind die Blutplättchen, die Thrombozyten, für die erhöhte Blutungsneigung verantwortlich, sprechen wir von plättchenbedingten Blutungsneigungen. Meist liegt hier eine Thrombozytopenie vor, bei der zu wenige Blutplättchen vorhanden sind. Ursächlich für die Thrombozytopenie können rheumatologische Erkrankungen, Infektionen, Autoimmunreaktionen gegen die Blutplättchen oder eine Immunthrombozytopenie sein.

Eine plättchenbedingte Blutungsneigung kann, zwar seltener, auch durch eine Thrombozytopathie verursacht sein. Dabei handelt es sich um eine Funktionsstörung der Blutplättchen. Deren Auslöser sind Medikamente wie oftmals Acetylsalicylsäure sowie chronische Nieren- oder Lebererkrankungen und Leukämien.

Dieser Form liegt eine erhöhte Durchlässigkeit der Blutgefäße zugrunde. Zu solchermaßen „undichten“ Gefäßen kann es im Zuge des ganz normalen Alterungsprozesses kommen. Die Wände der feinen Haargefäße, der Kapillaren, werden instabiler, sodass vermehrt Blutzellen in das umliegende Gewebe austreten können. Das zeigt sich vor allem an Handrücken, Unterarmen und Unterschenkelstreckseiten in kleinen Hautunterblutungen. Diese können wieder verschwinden oder dunkler pigmentierte Stellen hinterlassen.

Weitere Ursachen für eine gefäßbedingte Blutungsneigung können Langzeitbehandlungen mit Kortison, autoimmune Gefäßentzündungen sowie immunologische Reaktionen auf arzneiliche Wirkstoffe sein.

Fehlt ein bestimmter Gerinnungsfaktor oder ist nur unzureichend vorhanden, kommt es zu Störungen der Blutgerinnung. Sie läuft nicht mehr korrekt ab, wodurch sich die Blutungsneigung erhöht. Bei schweren Formen von Gerinnungsstörungen treten verstärkte Blutungen nicht nur bei Verletzungen auf, sondern auch ganz spontan ohne erkennbaren Anlass.

Zur Gruppe der Blutgerinnungsstörungen gehört unter anderem die Stuart-Prower-Krankheit, die den Gerinnungsfaktor X betrifft, das Von-Willebrand-Syndrom sowie die Hämophilie.

Von-Willebrand-Syndrom (VWS)

Dabei handelt es sich um die häufigste angeborene Blutgerinnungsstörung. Beim Von-Willebrand-Syndrom fehlt kein Gerinnungsfaktor an sich, sondern ein unterstützendes Eiweiß. Typisch für diese Störung ist der Defekt der primären Blutstillung: Der erste, vorläufige Wundverschluss erfolgt nicht richtig. Schwere Verlaufsformen des Von-Willebrand-Syndrom sind selten.

 

Hämophilie

Auch bekannt als Bluterkrankheit wird dabei aufgrund eines genetischen Defekts ein Gerinnungsfaktor nicht oder aber nicht ausreichend gebildet. Bei der Hämophilie A betrifft der Defekt den Faktor VIII, bei der Hämophilie B den Faktor IX. Durch den Mangel an Gerinnungsfaktoren verläuft die Blutungsstillung extrem verzögert – wie ausgeprägt, wird durch das Ausmaß des Mangels bestimmt. Leichte Verlaufsformen werden oftmals erst bei Blutgerinnungstests vor einer Operation oder verstärkten Blutungen bei Eingriffen wie Zahnentfernungen entdeckt. Schwere Formen treten jedoch meist bereits im Kleinkindalter zutage.

Da der Gendefekt über das X-Chromosom weitervererbt wird, erkranken fast nur Männer an Hämophilie.

 

Charakteristisch für Blutungsneigungen sind Hautblutungen unterschiedlichen Ausmaßes, Schleimhautblutungen, vermehrte Entstehung von Blutergüssen, Nasenbluten sowie bei Frauen starke Menstruationsblutungen. Ernsthafte Blutungen treten glücklicherweise selten auf.

Für Gerinnungsstörungen typisch sind neben der verzögerten Blutungsstillung gehäuft blaue Flecke, schmerzhafte Gelenkeinblutungen und ausgedehnte Muskelblutungen.

Untersuchungen bei Blutungsneigung und Gerinnungsstörungen

Nach Anamnese und eingehender körperlicher Untersuchung führen wir am Robert Bosch Krankenhaus umfassende Laboruntersuchungen des Blutes durch. Dabei wird unter anderem die Anzahl der Blutzellen ermittelt sowie verschiedene Gerinnungsfaktoren und die Blutungszeit bestimmt. Erhärtet sich der Verdacht auf Blutungsneigungen oder Blutgerinnungsstörungen, werden weitere diagnostische Verfahren eingesetzt. Dazu gehören Gerinnungstests sowie die spezifische Analyse der Gerinnungsfaktoren.

Behandlung von Blutungsneigung und Gerinnungsstörungen

Erhöhte Blutungsneigungen sind nicht in jedem Fall behandlungsbedürftig. So heilen beispielsweise einige leichte Formen, die durch Beeinträchtigungen der Blutplättchen hervorgerufen wurden, häufig von selbst aus.

Ist eine Therapie erforderlich, richtet sich diese nach den zugrundeliegenden Ursachen – sofern sich diese identifizieren lassen. Handelt es sich bei den Auslösern beispielsweise um Autoimmunerkrankungen, Leber- oder Nierenleiden müssen diese Grunderkrankungen behandelt werden. Zudem erhalten die Patient:innen Infusionen mit Thrombozyten, um den Mangel an Blutplättchen auszugleichen beziehungsweise ausreichend gesunde dieser Blutzellen zur Verfügung zu stellen.

Bei der Hämophilie können die Betroffenen durch den gezielten Ersatz des fehlenden oder zu wenig vorhandenen Gerinnungsfaktors ein weitgehend uneingeschränktes Leben führen. Bei leichten Formen erfolgt die Therapie bedarfsorientiert: Die Gerinnungsfaktoren werden bei Blutungen oder vor Eingriffen angewendet. Bei einer schweren Hämophilie ist eine prophylaktische Behandlung erforderlich. Das heißt, der Gerinnungsfaktor muss zur Vorbeugung regelmäßig alle paar Tage zugeführt werden, um die Blutungsneigung zu verringern.

Die Gabe der Gerinnungsfaktoren erfolgt intravenös mit einer Spritze. Diese können sich die Betroffenen nach entsprechender Schulung in der Regel selbst verabreichen.
Als neue Entwicklung steht mittlerweile für schwere Formen die Gentherapie zur Verfügung.

Sprechstunde

Sprechstunde Hämoglobinopathien und angeborene Gerinnungsstörungen

Dr. med. Anette Hoferer
nach Vereinbarung
Terminvereinbarung unter
Telefon 0711 8101-2001
ccc-ambulanz@rbk.de